Alles oder Nichts: Braunlage wagt sich an den Traum Großschanze
am 20.09.2018
Seit 2014 steht der WSV Braunlage, der älteste Skisportverein Deutschlands, ohne nennenswert große Schanze da. Es herrschte große Traurigkeit, nachdem die bekannte Wurmbergschanze nach einer Reihe unglücklicher Umstände zum Abriss freigegeben wurde. Doch nun gibt es neue Hoffnung im Harz: Mit einem Crowdfunding möchte man die Initialzündung zum Bau einer Großschanze tätigen. Skisprungschanzen.com kennt die Pläne.
Die Vergangenheit:
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge erinnert man sich in Braunlage an die goldenen Zeiten in der Ära Wurmbergschanze zurück. Über zehn Jahre fanden auf der Normalschanze Continental Cup-Wettbewerbe statt. Größen des Skisprungsports wie Toni Nieminen, Andreas Widhölzl und Sigurd Pettersen bei den Herren, sowie Anette Sagen, Daniela Iraschko und Coline Mattel bei den Damen gaben sich dort die Ehre. Nach ihrer letzten Generalsanierung im Jahr 2001 besaß die Wurmbergschanze eine für damalige Verhältnisse hypermoderne Metallanlaufspur, die mit Glas-Keramik beschichtet und sogar beheizbar war, was sie geradezu nicht anfällig gegenüber verschiedener Witterungen machte.
Am 28. August 2014, nur dreieinhalb Jahre nach dem letzten COC-Springen fiel der Anlaufturm der Wurmbergschanze, nachdem er zuvor aus Sicherheitsgründen gesperrt wurde. Sturm- und Rostschäden machten diesen Schritt unumgänglich. Beim WSV Braunlage selbst sieht man grobe Nachlässigkeiten und Baufehler während besagter letzter Sanierung als Wurzel des Übels. Als Erinnerungen an diese Tage blieben die Überreste der Zuschauertrassen und der planierte Aufsprunghang samt Banden.
Die Gegenwart:
Nach dem Abriss der Wurmbergschanze verfügt Braunlage über fünf Skisprungschanzen, von denen jedoch nur vier (ganzjährig) genutzt werden (können). Nach der Stilllegung der K70, einer sogenannten Medium Hill, ist die K58 die größte von ihnen. Kinder und Jugendliche finden also lediglich bis zu einem gewissen Entwicklungsstand die passende Schanzengröße vor. Das bewegt die allermeisten Talente aus dem Harz abzuwandern, etwa nach Oberhof, wo mit dem Neubau der Schanzen am Kanzlersgrund ideale Bedingungen herrschen. Zudem wird dort gerade noch eine 70-Meter-Schanze gebaut. Genau diese Abgänge des Harzer Skisprungnachwuchs möchte man mit dem Projekt "ALLE für Eine" verhindern.
Der Plan:
Wer Talente gewinnen und auch halten will, muss Perspektiven bieten (können), das weiß man auch in Braunlage. Und so machte sich eine Gruppe an Aktivisten um den Vorsitzenden des WSV, Jens Koch, der bisweilen auch als Vorspringer unterwegs ist, daran, ein Konzept auszuarbeiten. Und man setzt alles auf eine Karte: Circa sechs Millionen Euro sollen in eine neue Multifunktionsarena mit insgesamt vier Skisprungschanzen an bereits bestehender Stelle am Brockenweg fließen. Eine Anschubfinanzierung von 375.000 Euro soll nun bis zum 27. Oktober durch ein Crowdfunding gesammelt werden, ansonsten stirbt der Traum so schnell, wie er geboren wurde.
Die Gelegenheit ist geradezu günstig: Das Land Niedersachsen hat für das Jahr 2019 einen großen Fördertopf für Sportstättenentwicklung geöffnet, aus dem man in Braunlage mindestens einen großen Löffel abhaben möchte. Und nicht nur das: Das architektonische Konzept steht bereits und verspricht sowohl eine geringe Windanfälligkeit als auch geringe Entfernung zum Braunlager Ortskern als auch den minimalmöglichen Eingriff in die Natur.
Das Crowdfunding:
Crowdfundings sind im Skisprungsport beileibe keine Seltenheit mehr: Viele Athletinnen und Athleten aus nicht ganz finanzkräftigen Nationen nutzen Spendenplattformen, um so das nötige Budget für die Ausübung ihres Sports aufzutreiben. Doch dass ein Verein über dieses Modell einen Schanzenbau mitfinanziert, ist eine Neuheit. Alle Förderer können über das Portal "KAM on!" ihre Spende abgeben, zwischen einem und 66.666 Euro ist alles möglich. Wie bei dieser Art der Spende üblich, gibt es seitens des Geldsammlers ein Dankeschön an den Förderer, sofern es dieser wünscht.
Die Zukunft?
Bis 2021 soll die neue Anlage fertiggestellt werden. Die neue Großschanze mit Hillsize 117 würde das Herzstück dieser touristischen Attraktion werden. Und man orientiert sich an bereits bestehenden Arenen: Wie in Oberstdorf sind Erlebnisse wie ein Skywalk-Park samt Drahtseil-Fox am Anlaufturm, Schanzentubing oder auch einer Kletterwand am Anlaufturm geplant, um ganzjährig Menschen anlocken zu können.
Und die Nachfrage nach solchen Attraktionen im Harz ist durchaus vorhanden: Seit einigen Jahren steigen die Besucherzahlen um zweistellige Prozentwerte, sodass man bei den Besuchern offene Türen einrennen würde. Zudem böte die Anlage durch ihre Architektur auch die Möglichkeit, Konzerte und ähnliche Veranstaltungen stattfinden zu lassen. Prominente Unterstützung gibt es vor allem von Seiten des Deutschen Skiverbandes: Mit Andreas Wellinger, Marinus Kraus und Andreas Wank haben sich drei der vier Team-Olympiasieger von 2014 öffentlich zum Projekt bekannt, ebenso der Sportliche Leiter des DSV für Skispringen und Nordische Kombination, Horst Hüttel.
An alleroberster Stelle steht jedoch das internationale Skispringen zurück nach Braunlage zu holen. Wie zu den goldenen Zeiten der Wurmbergschanze schielt man hier vor allem auf Springen der höchsten Kategorie für Damen (seinerzeit noch COC, heute Weltcups), nationale Meisterschaften und Wettkämpfe in der Nordischen Kombination. Zudem soll die neue Schanze auch Anziehungspunkt für Trainingscamps internationaler Springer/innen und Teams werden. Vorausgesetzt, die Anschubfinanzierung von 375.000 Euro bis zum 27. Oktober gelingt.
Schanzen:
Braunlage (Brockenweg)Braunlage (Wurmberg)
Links:
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