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Luis auf Schanzen-Tournee: der Traum von Fliegen - wird (vielleicht) bald wahr

am 02.02.2017

Pünktlich zum Comeback des Skifliegens in Oberstdorf gibt es Teil 2 des Reiseberichts von unserem Kolumnisten Luis Holuch über seinen Ausflug in eben jenes Oberstdorf! Lest in dieser Ausgabe über Luis' Erlebnisse in der Erdinger-Arena, seinen Besuch der renovierten Heini-Klopfer-Skiflugschanze und erfahrt, welche Skispringerin vielleicht bald die siebte Dame auf einer Skiflugschanze sein wird. Wir wünschen wie immer viel Freude beim Lesen und freuen uns auf euer Feedback!

Luis auf Schanzen-Tournee

von Skisprungschanzen-Archiv-Autor und -Fotograf Luis Holuch

Der Empfang, den mir Oberstdorf bereitet, ist eines Winter Wonderlands absolut würdig: eine feste Schneedecke, bewölkter Himmel, aus dem fortwährend weitere Flocken auf den Boden schneien und nur spärlich geräumte Bahnsteige. Doch ich bin froh, den Zug genommen zu haben. Alles hat reibungslos funktioniert, ich musste mich mit nichts und niemandem herumärgern und konnte auf der Fahrt sogar noch einige Notizen für etwaige Interviews führen. Wenige Tage zuvor hatte ich einen positiven Bescheid über meine Presseakkreditierung bekommen, was ein weiteres Puzzleteil meiner inneren Entspanntheit war. Doch, als ich aus dem Zug stieg und die ersten Schritte durchs Oberstdorfer Zentrum wagte, wandelte sich genau diese Entspanntheit in Angespanntheit. Denn auch die Fußgängerzone und die Bürgersteige waren nur spärlich geräumt. Das wäre jetzt kein riesiges Ding gewesen, wenn ich nur mit meinem Rucksack auf dem Rücken durch die Straßen spazieren würde – nein, ich zog einen großen Trolley hinter mir her, in dem ich alle meine Wintersachen transportierte.

Nicht ganz unbegründet, denn der Wetterbericht „versprach“ Temperaturen bis hinunter auf minus 25 Grad Celsius, das Maximum sollten fünf Grad minus werden. >>Könnte also das kälteste Wochenende an einer Schanze werden<<, dachte ich. 15 Minuten brauchte ich den Berg hinauf zur Unterkunft. Dort empfing mich eine Dame, bei der ich den Allgäuer Sing-Sang vermisste, also fragte ich nach, ob sie auch von auswärts komme. „Ja, ich komme auch aus Nordrhein-Westfalen“, antwortete sie, während sie mir alle wichtigen Räume der Unterkunft zeigte. „Ich habe sie in ein anderes Zimmer umgebucht, damit sie zum Frühstück nicht morgens durch die Schneemassen müssen – ihr gebuchtes Zimmer wäre in einem Nebengebäude gewesen“, sagte sie. Es war die erste von vielen Überraschungen dieses langen Wochenendes.

Ich wartete auf meinen Zimmerkumpanen Freddi, den ich vor sechs Jahren über diese Website kennengelernt hatte. Zunächst per Email, dann über einen Gruppen-Chat auf Skype und dann waren wir im Januar 2013 erstmals gemeinsam auf Tour, beim Damen-Weltcup in Schonach. Das letzte Mal gesehen hatten wir uns in Planica im März 2015, nach fast zwei Jahren ging es sich also mal wieder aus. Er steckte noch im Stau und war sich nicht sicher, wann er in Oberstdorf eintreffen würde. Doch um kurz nach 20 Uhr war er schließlich dann doch da und so gingen wir in der Pizzeria Alberto noch eine große Kleinigkeit essen. Der nächste Morgen war prächtig – strahlender Sonnenschein, funkelnde Schneeflocken und angenehm trockene Luft. Auch Freddi hatte eine Akkreditierung genehmigt bekommen, so gingen wir zusammen zum Rennbüro im Haus Oberstdorf. Wir irrten uns zunächst im Raum, trafen aber dort Nico Polychronidis, den einzigen griechischen Skispringer der Geschichte und gebürtigen Oberstdorfer.

„Servus, schön, dich zu treffen! Wie geht’s?“, fragte ich ihn. „Gut, danke. Hab schon fast damit gerechnet, dich hier zu treffen“, antwortete er und gab uns beiden die Hand. „Oberstdorf ist absolut Pflicht für mich. Was treibst du zurzeit? Hab dich lange nicht mehr auf irgendwelchen Ergebnislisten gesehen", fragte ich weiter. „Das stimmt, ich bin jetzt in den Vorspringerbereich hineingerutscht. Also bin selber Vorspringer und kümmere mich auch ein bisschen um die Betreuung“, sagte Nico. „Ah verstehe, das ist sicher auch eine coole Geschichte. Also das ganz große Ding peilst du jetzt nicht mehr an?“, fragte ich. „Nein, das hat keine Perspektive mehr. Olympia und Skifliegen habe ich ja immerhin mitgemacht, mehr wird nicht drin sein“, antwortete er verschmitzt. „Schade eigentlich, aber immerhin gehörst du jetzt wohl zu der Spezies, die vom Sport dann doch nicht loskommen“, „ja, so schaut das aus“, „also dann viel Spaß und alles Gute“, „danke, euch auch und man sieht sich!“, so verabschiedeten wir uns und Freddi und ich holten unsere Akkreditierung.

„So, was treiben wir noch bis es nachher losgeht?“, fragte ich. „So schön wie das Wetter gerade ist, lass uns zur Flugschanze fahren. Mit der Kurkarte können wir ja umsonst da parken“, antwortete Freddi. Wir marschierten zurück zur Unterkunft und stiegen dort in seinen Wagen. Allein die Fahrt zur Schanze durch das Stillachtal ist ein absolutes Erlebnis – gut zu vergleichen mit der Fahrt hinein nach Planica. Mit jedem Meter, dem man sich dem Ziel nähert, steigt die Anspannung und die Vorfreude. Doch diese wurden jäh gebremst, als wir an der letzten Abzweigung der Talstraße von einem Guard angehalten wurden. „Wir sind voll, bitte parkt hier und geht entweder den Rest zu Fuß oder nehmt den Bus“, sagte er uns. Kopfschüttelnd parkte Freddi auf dem Parkplatz. Als der Parkscheinautomat dann auch unsere Kurkarten nicht lesen wollte, hatten wir die Faxen dicke. Der Guard war mittlerweile verschwunden und so fuhren wir auf der Straße weiter. Bis wir am Langlaufstadion Ried von einer seiner weiblichen Kollegen angehalten wurden. Sie hatte ungefähr dieselbe Bandansage auf Lager und so fuhren wir abermals kopfschüttelnd auf den Parkplatz. Immerhin, hier hatte der Automat mehr Lust auf unsere Kurkarten.

Rund 20 Minuten gingen wir durch den Wald, bis wir schließlich zur Lichtung kamen, von der aus man die Heini-Klopfer-Skiflugschanze zumindest erahnen konnte. Wie kleine Kinder voller Freude an Weihnachten konnten wir es nicht mehr erwarten und legten ein ungeahntes Schritttempo an den Tag. Just als ich das erste Foto schießen wollte, ging mein iPhone auf einmal aus. Bei 50 Prozent Akkuladung. „Das darf doch nicht wahr sein, einfach so!“, schimpfte ich. „Selbst Schuld, wenn du….“, begann Freddi einen Scherz. „Och nein, jetzt ist meins auch ausgegangen“, brach er ab. „Dann liegt es also nicht am iPhone“, musste ich lachen. „Wahrscheinlich ist es hier einfach echt zu kalt, bei minus 15 Grad“, sagte Freddi achselzuckend. Wir gingen um Sepp Weilers Flugschanzenstube herum zum neugebauten Schrägaufzug. Auf der Schanze war ein Pistenbully dabei, den Meter Neuschnee aus dem Aufsprunghang zu beseitigen. Fast schon verzweifelt versuchten wir, unsere Smartphones wieder ans Laufen zu bekommen. „Hast du deine Kamera denn gar nicht dabei?“, fragte ich Freddi. „Nee, die liegt im Zimmer“, antwortete er schmallippig. „Na du bist mir ein Fotograf“, musste ich laut auflachen und auch Freddi war etwas verwundert und amüsiert über sich selbst.

So wirklich benötigt hat er sie allerdings nicht, denn die Stufen am Hang waren nicht geräumt, sodass man die Bergstraße hinauflaufen müssen, um oben am Schanzenkopf anzukommen. Doch beim Blick auf die Uhr und des sich anbahnenden Mittag entschieden wir, die komplette Besichtigung auf den nächsten Tag zu verschieben. Unsere Smartphones hatten sich vom Kälteschock erholt und gingen wieder in Betrieb. Ich bekam eine SMS von einem Sportredakteur der Allgäuer Zeitung, der einen Artikel über mich schreiben wollte, da das Damen-Skispringen das Thema meiner Bachelorarbeit war. Ich schlug vor, uns kurz vor Beginn des offiziellen Trainings an der Erdinger Arena zu treffen. Wenn durch etwaige Transportschwierigkeiten nicht verhindert, bin ich in der Regel eine Viertelstunde vor dem ersten Sprung an der Schanze. So auch an diesem Freitag. Im Gepäck hatte ich neben meinem Laptop meine Notizblöcke und eine vorgefertigte Startliste samt persönlicher Bestweiten der Teilnehmerinnen, um sofort alle Veränderungen zu notieren. Um 14:45 Uhr stand ich am Hauptgebäude, dem vereinbarten Treffpunkt.

Schon bald schritt der Kollege auf mich zu, gab mir die Hand und sagte „Servus Luis, ich bin der Ronald. Freut mich, dass es klappt. Ich sehe, du hast auch eine Akkreditierung, dann lass uns doch runter gehen und quatschen“, „sehr gerne, bin schon sehr gespannt, was mich hier heute so erwartet.“ Wir gingen in die Katakomben des Stadions in den Presseraum und setzten uns. Ronald bat mich zu erzählen, wie die Idee zur Arbeit und die Arbeit selbst entstanden sind, wie ich vorgegangen bin, was meine Ziele bei der Erstellung der Arbeit waren und was sich seit der Fertigstellung der Arbeit getan hat. Wir stiegen so intensiv ins Thema ein, dass wir glatt den Beginn des Trainings verpassten. Das fiel uns dann auch recht rasch auf und wir unterbrachen den geschäftlichen Teil und gingen hoch in die Mixed-Zone, um uns die Sprünge anzuschauen. Ronald fiel schnell auf, dass ich alle Weiten akribisch mitschrieb. „Wofür genau machst du das?“, wollte er wissen. „Ich führe zusammen mit einem Chronisten eine Liste mit persönlichen Bestweiten aller Skispringerinnen. Und da die Großschanzenspringen so selten sind, kann sich hier einiges tun. Deshalb schreibe ich jede Weite mit und schaue, wer sich verbessert hat“, „ach Quatsch?! Das heißt, du kannst mir am Sonntag sagen, wie viele Verbesserungen es gegeben hat?“, „jawoll, sowohl die Anzahl, als auch wer sich wie oft verbessert hat“, „okay, so langsam glaube ich echt, dass du verrückt bist. Aber diesen Dienst würde ich gern in Anspruch nehmen“, grinste Ronald. „Klar, gar kein Ding“, grinste ich zurück.

Kurz darauf kam FIS-Medienkoordinator Sascha Brand auf uns zu und sagte: „Jungs, wenn ihr jemanden sprechen wollt, sagt bitte Bescheid. Wir schicken die Springerinnen ansonsten nach oben. Es lohnt nicht, alle hierherzuschicken, damit sie gucken ob vielleicht jemand mit ihnen sprechen will.“ „Alles klar, das passt schon. Nach dem zweiten Training geben wir dir Bescheid“, antworteten wir ihm. Neben Ronald und mir waren noch ein Zeitungsredakteur, zwei Agenturkollegen, zwei Kollegen vom Japanischen Fernsehen und die Medienhelfer des Skiclub Oberstdorf, in der Mixed-Zone. Auch das Zuschauerinteresse war mit knapp über 500 Zuschauern auch sehr zurückhaltend. Also irgendwo ideale Bedingungen, um ein paar Interviews zu machen. Unsere kleine Gruppe teilte Sascha die gewünschten Gesprächspartner mit und so war die Qualifikation ein Mix aus konzentriertem Zuschauen und Austausch mit den Athletinnen.

In der Mixed-Zone treffe ich Ulrike Gräßler, die Vize-Weltmeisterin von 2009. Als wir uns das letzte Mal ausführlicher gesprochen hatten, war ich mitten in der Arbeitsphase meiner Bachelorarbeit und Uli bereitete sich auf die Saison vor. Nach einem schweren Sturz mit komplizierten Verletzungen Mitte Dezember 2015 in Notodden (Norwegen) befindet sie sich weiterhin auf dem Weg zurück auf die Schanze. „Mir geht es soweit ganz gut und ich hoffe, Ende des Winters vielleicht meine ersten Sprünge zu machen“, meinte sie auf meine Frage nach ihrem Wohlbefinden. Nun begegneten wir uns mehr oder minder als Kollegen, denn sie drehte für den DSV einige Videobeiträge, um den Fans einen Blick hinter die Kulissen eines Damen-Skisprung-Weltcups zu gewähren. „An sich bevorzuge ich es lieber, die Sprünge per se zu analysieren, wie ich es mit Roman Knoblauch und Hans-Peter Pohl bei Eurosport letzte Saison machen durfte. Aber das hier ist mal was anderes und macht mir auch Spaß. Und, dass die Damen hier auf der Großschanze springen dürfen ist das Sahnebonbon, auch wenn ich natürlich gerne mitgesprungen wäre“, erzählt Uli und fügte am Sonntag noch hinzu: „Spätestens jetzt gibt es keinen Grund mehr, nicht mehr Großschanzenspringen einzuführen. Alle Teilnehmerinnen haben bewiesen, dass sie es können – auch bei teils schwierigen Bedingungen – und daran sollte man anknüpfen.“

Neben den im ersten Teil erwähnten Nicole Hauer und Sarah Hendrickson wollte ich auch mit Maren Lundby sprechen. Die 22-Jährige Norwegerin holte gut einen Monat zuvor in Nizhniy Tagil ihren ersten Weltcupsieg. „Gefeiert habe ich eigentlich gar nicht. Klar hat es mich riesig gefreut, aber ich habe mich schnell wieder auf die neuen Aufgaben konzentriert“, meinte sie. Wie auch dieses Großschanzen-Wochenende in Oberstdorf. „Es ist wichtig und richtig, dass das jetzt passiert. Für unseren Sport kann nur das der Weg sein, dass es in den kommenden Jahren immer mehr Großschanzenspringen werden“, war ihre Auffassung. Ich kam nicht umhin, sie auch nach dem großen Traum aller Skispringerinnen, dem Skifliegen zu fragen und war doch basserstaunt über ihre Antwort: „ich fühle mich bereit für das Skifliegen. Und wenn alles klappt, werde ich im März in Vikersund als Vorfliegerin aktiv sein. Meine Aufgabe ist es nun, auf konstant hohem Level zu springen und dann werden sie mich vielleicht fliegen lassen.“

An sich glänzt Maren Lundby vor allem durch ihre Entschlossenheit auf der Schanze und einer gehörigen Portion Mut, mit dem sie sich am Schanzentisch in die Luft stürzt. Dass sie jetzt auch in unserem ersten Gespräch so offen über dieses große Thema Skifliegen sprach, war für mich so beeindruckend wie überraschend. Es wäre eine historische Gegebenheit, wenn sie tatsächlich auf die Flugschanze dürfte. Denn seit dem bis heute einzigen Skifliegen im Continental Cup 2004 – übrigens auch in Vikersund – und der Anwesenheit von Anette Sagen und Line Jahr (beide Norwegen), Lindsey Van (USA) und Helena Olsson (Schweden) waren keine Frauen mehr auf Skiflugschanzen aktiv. Der Weltrekord steht weiterhin bei 200 Metern und könnte von Lundby zweifelsfrei attackiert werden. Und wir sprechen über Vikersund nicht als wäre es nur irgendeine Flugschanze. Nein, es ist die derzeit größte Flugschanze der Welt. Zwar mit der flachsten Flugkurve aller, aber vielleicht genau die Richtige, um einen Rookie, wie es Maren Lundby wäre, dort herunterzulassen. Von ihren Fähigkeiten her ist sie auch nach rein objektiven Maßstäben absolut flugschanzentauglich. Ohne Wenn und Aber.

Falls also tatsächlich jemand vorher daran gezweifelt oder unsicher darüber nachgedacht haben sollte: der Traum vom Fliegen lebt weiterhin. Und bei den Skispringerinnen wohl sogar noch mehr als bei ihren männlichen Kollegen. Schließlich haben die bereits die Chance, diesen Traum zu leben.

Fast schon überwältigt von den Erlebnissen und Begegnungen dieses Freitags ging ich mit Freddi selig zurück in die Unterkunft. Von den -22 Grad, die draußen herrschen sollten, war rein gar nichts zu spüren. Im warmen Zimmer sowieso nicht. Wir pflanzten uns in unsere Betten und schauten den Finaldurchgang in Bischofshofen, um danach in den Seilen hängend das Abendessen ausfallen zu lassen. Stattdessen schauten wir uns Freddis Fotos an. Ihn gebeten, doch einige Aufnahmen zu machen, wie ich mit den Springerinnen spreche. Freddi hat das Talent und auch das nötige Quäntchen Glück, klitzekleine Momente zu erwischen, die sehr ausdrucksstark sind oder vielleicht sogar so unterhaltsam, dass man nicht denken würde, es handle sich um einen Austausch zwischen Journalist und Athlet(in), sondern um eine Kumpelei. Zufrieden gingen wir nach einem kurzen Saunabesuch ins Bett, schliefen aber erst nach Mitternacht ein.

Wir waren wesentlich früher dran als am Vortag und so entschieden wir, die umgebaute Flugschanze nun genauer zu inspizieren. Knapp 40 Minuten benötigt man vom Auslauf der Schanze über die Bergstraße und einen Feldweg zum Anlaufturm. Oben wie unten lagen noch allerhand Baumaterialien, der Rohbau war allerdings soweit fertiggestellt. Es erinnerte alles ein bisschen an den Zustand der Letalnica in Planica während der Wiedereröffnung im Rahmen des Weltcup-Finals 2015: die Anlage war sprungbereit und den Standards für einen Weltcup genügend, der Feinschliff allerdings fehlte noch und wurde, beziehungsweise wird bis zur nächsten Austragung geleistet. Trotz der herausragenden Schneesituationen liefen auf dem Vorbau zwei Schneekanonen auf Hochtouren. Während der alte Hang komplett Natur war, ist die neue Vorbaukonstruktion eine künstliche. Klar zu erkennen war zudem auch, wo man den Schanzentisch quasi abgeschnitten und den neuen angebaut hatte.

Die simpel gestaltete Metallkonstruktion zerstört allerdings den Gesamteindruck dieses einzigartigen Turms keineswegs. Viele Menschen kamen auf mich zu, nachdem sie von meiner Besichtigung erfahren hatten und fragten neugierig, wie weit man auf der neuen Heini-Klopfer-Schanze denn nun fliegen könnte. Und ich muss ganz ehrlich sagen: ich finde es unheimlich schwierig einzuschätzen. Aus zweierlei Gründen: erstens war definitiv zu viel Schnee auf dem Hang, um dies einschätzen zu können. Schnee, der natürlich Meter kosten würde. Und zweitens kann man sich nur schwer vorstellen, wie die Flugkurve aussehen wird. Vom optischen Ersteindruck würde ich sagen, dass der Schanzentisch niedriger ist, der Radius vor dem Auslauf allerdings nicht ganz so rasch und radikal kommt wie der in Vikersund, am Kulm oder in Planica. Die Schanze hat Alleinstellungsmerkmale, was angesichts der Bau- und Sicherheitspolitik vergangener Jahre erstaunlich genug ist. Das letzte Weitenschild befindet sich bei 250 Meter.

Ich bin über die Maßen gespannt, wie sich die Schanze bei ihrer Eröffnung geben wird. Das einzige noch große und hervorragend gehütete Geheimnis unter den Dingen, die man vorher wissen könnte, ist die Frage, wer denn den Weiheflug absolvieren würde. Bis zu seiner schmerzhaften und unglücklichen Verletzung hätte ich mein gesamtes nicht vorhandenes Geld auf Severin Freund gesetzt. Nun habe ich genauso wenig eine Ahnung wie jeder andere auch, der nicht in diese Angelegenheit involviert ist. Ich bin auch gespannt, ob gleich schon bei dieser WM-Generalprobe ertastet wird, was die Schanze hergibt. Oder ob man sich, wie in Vikersund, auf eine Überraschung gefasst machen muss und erst Jahre nach Eröffnung sieht, was tatsächlich geht. Es ist jedenfalls großartig, dass die Schanze wieder in Betrieb geht. Für mich war sie immer meine zweitliebste Skiflugschanze nach der in Planica. Vor allem dank der Architektur und der stets ansehnlichen und vom Wetter unbeeinflussten Wettkämpfe.

Lassen wir uns also überraschen, was da an diesem Wochenende auf uns wartet. Kein Skisprungfan dieser Welt sollte sich dieses Fest entgehen lassen. Und, um noch einmal den Bogen zu den Skispringerinnen zu schlagen: wenn ich mir wünschen könnte, auf welcher Skiflugschanze es den ersten Skiflugwettkampf für die Frauen geben sollte, wäre meine erste Wahl genau diese Schanze. Ich kann es nicht besser sagen als Maren Lundby: „Oberstdorf ist ein schöner Ort, ich bin total gerne hier.“

Euer Luis

Schanzen:

GER Oberstdorf (Skisprung Arena)
GER Oberstdorf (Skiflugschanze)


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