Luis auf Schanzen-Tournee: Villach
am 13.11.2013
Ein aufregender Besuch der Schanzen in der Villacher Alpenarena steht auf dem Programm der aktuellen Ausgabe unserer Kolumne "Luis auf Schanzen-Tournee".
Luis auf Schanzen-Tourneevon Skisprungschanzen-Archiv-Autor und -Fotograf Luis Holuch |
Die vorletzte Station (eigentlich drittletzte wegen des Planica-Trips) auf der Schanzentournee unseres Kolumnisten Luis Holuch ist das Skisprungzentrum von Villlach in Kärnten. Über den Besuch dieser Anlage und weitere Kuriositäten berichtet Luis im Folgenden. Wir wünschen obligatorisch viel Freude beim Lesen und sind gespannt auf Lesermeinungen.
Villach - Villacher Alpenarena (K90, K60, K30, K15)
Glatt zwei Stunden soll die Fahrt nach Kärnten dauern, ein Gewaltakt möchte man meinen. Vor uns liegen einige Autobahnkilometer - und einige auf Landstraße, die ungeplant waren. Schließlich wollten wir erst einmal nur nach Villach. Ich hatte schon schweren Herzens auf einen Besuch der Kulm-Skiflugschanze in Bad Mitterndorf verzichtet und betete schon während der ganzen Zeit, dass wir dafür nach Planica kommen. Mein Vater wollte es von der gesamten Fahrzeit abhängig machen.
Das Wetter rund um Salzburg ist recht durchwachsen und so fahren wir nicht allzu schnell auf der Autobahn in der Hoffnung, das schlechte Wetter vor uns her zu schieben. Im Gegensatz dazu ein weißer Lamborghini Gallardo, der mit mehr als 200 km/h an uns vorbeischießt. Papa sagt trocken: „ja, ich gebe zu, dass unser die Geschwindigkeit nicht schafft. Aber dafür ist das weiß viel schöner!“. Unser Gelächter wird von einem klingelnden Handy unterbrochen. Es ist eine Mitarbeiterin aus Papas Abteilung bei der Firma Gildemeister.
„Na, Michael, genießt du den Urlaub?“, fragt sie. „Und ob ich das tue! Ich sitze gerade mit meinem Ältesten im Auto und wir fahren nach Villach und Planica und schauen uns Schanzen an. Er hat seine Sucht auf mich übertragen“. Nicht nur sie muss lachen, sondern auch ich. Aber nicht aufgrund des letzten Satzes; das hatte sich ja während des Urlaubs schon abgezeichnet, sondern vor Freude. Die beiden besprechen noch berufliche Dinge, von denen ich absolut keine Ahnung habe. Ich blättere nochmals durch die Karten, um den günstigsten Weg nach Planica zu finden.
Kaum hatte Papa das Gespräch beendet, hört es auf zu regnen und der Himmel beginnt sich zu lichten. Passenderweise läuft auf Ö3 „Summer of 69“, der beste Song, den Bryan Adams gesungen hat. Wir wussten: das wird ein guter Tag.
Obwohl wir maximal durchschnittliches Tempo gefahren sind, erreichen wir Villach in unter zwei Stunden. Kurze Feierlaune kommt auf, als wir das österreichische Werk von Dr. Oetker – Hauptsitz: richtig, Bielefeld – aus dem Auto sehen und auch noch dran vorbeifahren. Nach kurzer Orientierungslosigkeit und einmal verfahren, kommen wir wieder auf den richtigen Weg.
Die Schanzen sind auch bereits schon in Sichtweite und zudem ausgeschildert, sodass wir nur noch auf die Villacher Alpenstraße zu fahren brauchen und unser Auto auf dem Parkplatz abstellen müssen. Knappe 100 Meter müssen wir dann noch zu Fuß gehen; die sind aber schnell geschafft. Es herrscht reges Treiben auf der Anlage. Viele Familien scheinen da zu seinen, viele Jungs laufen in Skisprunganzügen herum. Papa ruft mir zu: „schau, das sind die Stars von morgen“, ich antworte: „erst mal schauen, wie gut die springen und dann reden wir nochmal drüber“. Er lacht und nickt zustimmend – und geht erstmal einen Espresso im Café trinken, während ich eine Betreuerin frage, was denn hier stattfindet.
„Mia san im Prinzip scho durch. Um 9 san mia angefonga mit‘ Spring’n. Des is hia a Lehrgang von die Jugend vo Kärnten und Niederösterreich. Des is jetz holt unser Abschlusswettkampf“. Ich bedanke mich bei ihr für die Auskunft und schaue die letzten Sprünge an. Wir haben ja keine Eile und ich möchte meinem Vater ja die Möglichkeit geben, mich wieder zu finden.
Drei Sprünge sehe ich von der K90, aber alle nicht besonders herausragend, dazu noch etwa 10 von der K60, alle ungefähr in K-Punkt-Nähe. Der Wind hier hält sich wirklich in Grenzen, an dem kann es nicht gelegen haben, vor allem, weil er vom Tal kommt. Mein Vater kommt zufrieden grinsend zurück und lehnt sich an die Balustrade. Gemeinsam verfolgen wir die Sprünge und ich erzähle ihm von meiner Unterhaltung mit der Betreuerin.
Der letzte Springer ist unten und ein Mann ruft alle zu sich; das scheint der Chef zu sein. Sofort wird auch der Lift ausgeschaltet, was für uns bedeutet zu Fuß gehen zu müssen. Vier Schanzen an ein und demselben Berg habe ich bislang nur in Garmisch-Partenkirchen besichtigt, also hab ich in etwa eine Ahnung, wie viel wir laufen werden – aber im Gegensatz zu Planica, das dürfte nicht schwer zu erraten sein – ist das immer noch eine Lappalie.
Die beiden kleinen Schanzen nehmen wir so ganz bequem mit, weil beide über Treppen erreichbar sind. Die K15 hat eine Mattenspur im Anlauf, also ganz alte Bauschule. Es würde sich vermutlich auch nicht lohnen, hier Aluminium, Porzellan oder Keramik reinzulegen. Das ist bei der K30 schon etwas anderes, die Porzellan im Anlauf hat. Für unser Eins, dem Laien, stellt diese Größe schon eine Überwindung da, während Knirpse im Alter von nicht einmal 10 Jahren hier herunterspringen. Ach ja…würde ich doch nicht in Bielefeld wohnen…
Bevor wir zur K60 gelangen können, passieren wir zunächst die Mittelstation des Spingerlifts. Sessellifte mit Mittelstation sind ja eine Seltenheit, aber nur, wenn man nicht häufig Schanzenareale besichtigt. In Planica besitzt der Lift sogar zwei Zwischenstationen – insgesamt also vier. Da ich auch ein begeisterter Skifahrer bin, ist mir das Phänomen auch bereits dort begegnet: in Davos (CH) am Jakobshorn. Hier gibt es das also auch, in direkter Nachbarschaft zum neugebauten Jury- und TV-Turm.
Ich weiß nicht, inwiefern dieser für Wettkämpfe auf der Normalschanze genutzt wird, da auf der rechten Seite (wenn man vom Tal aus schaut) ebenfalls noch ein solcher Turm steht. Aber er würde sich für TV-Übertragungen mindestens genauso eignen. Wie auch der Turm in Ramsau, dient dieser als Lager für Material – also Anzüge und Ski hauptsächlich. Von dieser Position können wir auch wunderbar in das Springerdorf schauen. Dort ist noch Betrieb, da die Jugendlichen ihre Klamotten zusammenräumen und alles in Bullis verstaut wird. 22 Häuschen stehen hier, also wirklich ausreichend für den Weltcup- oder Continental Cup-Tross.
Stars wie Thomas Morgenstern oder Martin Koch haben hier ihre ersten Sprünge gemacht und wohnen nicht unweit der Schanzen. Sehr regelmäßig kann man die beiden hier beim Training treffen, heute war meinem Vater und mir das Vergnügen nicht gegönnt. Auch die slowenischen Skisprungdamen sind hier oft zu Gast. Das wird allerdings seit Fertigstellung der Groß- und Normalschanze in Planica auch merklich weniger. Ebenso das Erscheinen des Ortes Villach im Weltcup-Kalender. Zu den Zeiten, als es jedes Jahr ein neues Spiel der RTL Skispringen-Reihe gab, stand traditionell ein Springen in Villach auf dem Programm. Man möchte aber in naher Zukunft einen Damen-Weltcup hier austragen. Wir dürfen also gespannt sein, wie es hier weitergeht.
Bei unserer Besichtigungstour geht es nun mit der zweitgrößten Schanze an diesem Berg weiter. Die letzten Tropfen der Anlaufbewässerung bahnen sich ihren Weg ins Tal und dann ist es schlagartig ruhig. Bis eine riesige Motorradkolonne durch die Serpentinen der Villacher Alpenstraße heizt. Lauter Harley-Davidson-Maschinen und gleich dahinter ein Porsche Oldtimer sorgen dafür, dass man angesichts der Landschaftsidylle nicht zu sehr ins Träumen oder gar in ein kleines Nickerchen fällt.
Aber man braucht sich nur auf den Balken der K60 zu setzen, um nicht einzuschlafen. Der Adrenalinpegel steigt deutlich spürbar an, als ich das tue. Allerdings genießt man von hier bereits einen netten Blick auf die Innenstadt von Villach und die umliegenden Berge, unter anderem auch das Skigebiet Bad Kleinkirchheim, wo des Öfteren Alpine Ski-Weltcups stattfinden. Die Region, die gerne auch mal im Oktober schon einen Meter Schnee zu verzeichnen hat, trocknet in diesem wunderschönen Sommerwetter. Das Gras im Auslauf ist noch mit am grünsten von dem, was wir von hier erblicken können.
Wir machen uns auf zur letzten Schanze für diese Station, zur Normalschanze. Etwas verwundert bin ich ob des Zustands des Anlaufturms, der schon ein bisschen an seinem Alter zu knabbern hat. Das rote Metall hat schon Dreckspuren und ist teils abgebrochen. Es ist auch nicht ganz so leicht auf ihn raufzukommen, zumindest von dem Querfeldein-Weg, den Papa und ich benutzt haben. Wir müssen uns gegenseitig hochhieven, weil es anders sonst nicht geht. Auch die Stufenhöhe ist etwas unglücklich gestaltet. Das kommt mir schon ohne Skischuhe komisch vor, da weiß ich gar nicht, wie es den Athleten gehen soll.
Beim Hochsteigen der Stufen sticht mir etwas in der Anlaufspur ins Auge. Ein Schwarzes längliches Etwas, das sich zwischen den beiden Rinnen der Anlaufspur hin- und her bewegt. Es ist nicht besonders groß, aber dafür unglaublich wendig und es hat eine fettige Haut, die in der Sonne glänzt. Bei näherem Hinsehen kommt uns die Lösung in den Sinn – bzw. meinem Vater: „Nein, ein Gecko! Ist ja witzig, dass der sich auf eine Skisprungschanze verirrt“. „Und dann noch auf eine, die in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer lauten Bergstraße liegt“, antworte ich mitten in die nächste Kolonne hinein, die vorbei gebraust kommt.
Wir sind mittlerweile ganz oben am Schanzenkopf angekommen und genießen die Aussicht ins Tal. Die Sturzlinie ist von hier aus mit viel Mühe zu erkennen, die Aufsprunghänge der anderen Schanze dafür umso besser. Und die Villacher Alpenstraße ist gerade mal einen Steinwurf – wörtlich zu nehmen! – den Berg hoch. Jede Serpentine ist nummeriert, um die Orientierung zu verbessern. Aber ich merke hier schon, dass je mehr Schanzen ich besichtigt habe, ich nach Ecken und Kanten, kurz gesagt nach etwas, das sie auszeichnet, suche. Und das fehlt mir ehrlich gesagt hier. Vielleicht lag es auch zu sehr daran, dass ich mich schon zu sehr auf Planica gefreut habe. Aber mehr als gut sie mal gesehen zu haben fand ich die Villacher Alpenarena ehrlich gesagt nicht. Lobenswert bleibt zum Schluss zu sagen, dass hier wirklich etwas für den Nachwuchs getan wird – und dieses Zentrum ist optimal dafür.
Um zurück in die Reihenfolge zu finden, gibt es hier noch einmal die chronologisch folgende Episode aus Planica.
Bis dahin lasst euch nicht zu sehr vom Herbst beregnen.
Liebe Grüße
Luis Holuch
Schanzen:
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